Der Mythos lebt – und 2027 soll er erneut Geschichte schreiben.
Die Geschichte wiederholt sich selten – und wenn sie es doch tut, dann meist mit neuer Wucht. Im Jahr 1995 triumphierte McLaren mit dem F1 GTR beim ersten Versuch bei den 24 Stunden von Le Mans. Drei Dekaden später beginnt ein neues Kapitel: McLaren kehrt zurück auf die große Bühne der Langstrecke.
Viel war bereits spekuliert worden, ehe CEO Zak Brown mit einem simplen „We’re back“ die Rückkehr offiziell machte. Doch zwischen den Zeilen verbirgt sich weit mehr: ein langfristig angelegtes Engagement, ein starker technischer Unterbau – und die Rückbesinnung auf das, was McLaren einst groß gemacht hat. Geschwindigkeit, Technik, Vision.
Vollständig ins Rampenlicht tritt McLaren erst im Juni 2025: Am Vortag des 93. 24-Stunden-Rennens in Le Mans ist eine Pressekonferenz angekündigt, auf der weitere Details folgen. Schon jetzt ist klar: McLaren wird in der Hypercar-Kategorie der FIA WEC antreten – auf Basis des LMDh-Reglements. Die Entscheidung für diese kosteneffizientere Plattform ist strategisch klug. Sie öffnet die Tür zu einem doppelten Programm – WEC und IMSA, so wie es Porsche und Cadillac bereits erfolgreich vormachen.
Ein großer Name kommt dabei wieder ins Spiel: Dallara. Der italienische Chassishersteller, der schon Cadillac und BMW in der LMDh ausstattet, wird auch für McLaren das technische Fundament liefern. Kombiniert wird es mit einem V6-Biturbo-Hybrid, inspiriert vom McLaren Artura – dem ersten V6-Hybrid der Marke und Beweis dafür, dass Performance und Elektrifizierung kein Widerspruch sind.
Standardisierte Komponenten wie das X-Trac-Getriebe, die WAE-Batterie sowie das MGU-System von Bosch runden das Paket ab – technisch ist McLaren damit auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, wenn nicht gar einen Schritt voraus.
Auch bei der Teamwahl bleibt McLaren auf vertrautem Terrain: Die Einsatzmannschaft wird United Autosports, das von Richard Dean und Zak Brown gemeinsam geführt wird. Seit Jahren eine feste Größe in der WEC und ELMS, mit zwei Le-Mans-Siegen in LMP2 (2020, 2024) und zahlreichen Meistertiteln. Jetzt folgt der verdiente Aufstieg in die Topklasse – im Gespann mit einem Hersteller, der Racing im Blut hat.
Für United ist es mehr als nur ein Auftrag. Es ist die Krönung jahrelanger Aufbauarbeit – und ein logischer Schritt, nachdem der McLaren 720S GT3 seit 2023 bereits in der LMGT3-Kategorie der WEC vertreten ist. Was damals wie ein vorsichtiger Testballon wirkte, entpuppt sich jetzt als Teil eines langfristigen Plans.
Dass McLaren mit Langstrecke Erfahrung hat, zeigt ein Blick in die Geschichte: fünf Can-Am-Titel zwischen 1967 und 1971, große Namen wie Bruce McLaren, Denny Hulme und Peter Revson – und natürlich der Sensationssieg von 1995 in Le Mans. Jener F1 GTR mit der Startnummer 59, der aktuell im Musée des 24 Heures du Mans ausgestellt ist. Passend zur Rückkehr trägt die Ausstellung den Titel: McLaren – ein Name für die Ewigkeit.
Bis zum Renndebüt 2027 bleibt ein Jahr Zeit – und das ist gut so. Denn solange ein LMDh-Fahrzeug noch nicht homologiert ist, darf getestet werden, so viel man will. Porsche nutzte diese Lücke vor dem Debüt des 963, McLaren wird dasselbe tun. Bereits Anfang 2026 ist mit dem ersten Rollout des neuen Hypercars zu rechnen – auf abgesperrter Strecke, fernab der Öffentlichkeit, aber mit klarer Mission: vorbereitet sein.
Und auch fahrerseitig beginnt das Casting. Namen wie Oliver Jarvis, Paul di Resta, Renger van der Zande oder Ben Hanley gelten als gesetzt für die Entwicklungsarbeit – allesamt mit Erfahrung, teils mit United-Vergangenheit. Doch McLaren denkt langfristig, und deshalb wird man auch junges Talent ins Auge fassen. Das Fahrerkarussell in der WEC dreht sich schneller denn je, und wer 2027 vorn dabei sein will, muss schon 2025 handeln.
Bleibt die Frage: Wo führt der Weg McLarens noch hin? In der Formel 1 hat man gerade das erste Konstrukteurspodium seit 1998 geholt. In der IndyCar ist man fest verankert. Nur das Engagement in der Formel E wackelt – nicht zuletzt, weil das Sponsoring mit Neom unsicher ist und Gespräche mit Hyundai bislang ohne Ergebnis blieben. Denkbar, dass der Fokus künftig noch stärker auf der Langstrecke liegt – und McLaren Le Mans zur zweiten Heimat macht.