Ein SUV-Coupé ohne Heckscheibe? Das ist kein Scherz, sondern ein Alleinstellungsmerkmal des schwedischen Chinesen. Was lässt den Polestar 4 noch hervorstechen?
Wer Transporter fahren gewohnt ist, wird sich im Polestar 4 möglicherweise nicht unwohl fühlen. Im herkömmlichen Kastenwagen befindet sich hinter der Fahrerkabine meist eine Wand – wer in den Innenspiegel blickt, sieht nur ins Leere. Es sei denn, es ist ein digitaler Rückspiegel als Kamera integriert. Das ist genauso gewöhnungsbedürftig wie einzigartig im Premium-SUV-Segment. Auf die Frage, warum man sich das antut, und statt durchsichtigem Glas eine Kamera für die Sicht nach hinten sorgt, gibt es eine Antwort. Der Verzicht auf die Scheibe hatte bei der Entwicklung des Polestar 4 den Vorteil, dass die C-Säule versetzt und der Abfall der Dachlinie weiter nach hinten gesetzt werden konnte. Das Ergebnis: Ein gigantisches Platzangebot im Fond mit so guter Beinfreiheit, dass man sich fühlt, als würde man auf einem Sofa sitzen. Das geschlossene Heck verleiht der Rückbank noch einen zusätzlichen Hauch an Lounge-Feeling. Rahmenlose Fenster und Seitenspiegel sowie versenkbare Türgriffe und ein beleuchtetes Emblem auf der Motorhaube verleihen dem Stromer ein sehr luxuriöses Auftreten. Komplettiert wird der Look von 22-Zoll-Leichtmetallrädern inklusive Brembo-Bremsanlage als Teil des Performance-Pakets, die zusammen mit den Ventilkappen in Schwedengold gehalten sind.
Begrüßt wird man beim Einsteigen von einem riesigen Glaspanoramadach, das zusammen mit dem zinkfarbenen, tierschutzgerecht hergestellten Nappaleder eine helle Atmosphäre schafft. Eines fällt sofort auf: Der Innenraum ist wirklich groß, langem Radstand und hoher Spurbreite sei Dank. Hinter dem Volant sitzt man sehr komfortabel – die belüfteten Massagesitze machen durchaus was her. Was mir lange in Erinnerung bleiben wird, ist das Surround-Soundsystem von Harman Kardon, das mit 16 Lautsprechern ein Klangerlebnis erzeugt, das seinesgleichen sucht. Ergänzend sorgen beleuchtete Dekoreinsätze bei Nacht für Konzertstimmung.
Eine Besonderheit von Polestar ist die weit fortgeschrittene Digitalisierung von Steuerungselementen. Das bewirkt ein sehr aufgeräumtes Innenleben, was dem schwedischen Charakter zugutekommt: schlicht und einfach, ohne viel Schnickschnack. Gleichzeitig bringt es aber auch Risiken mit sich. Spiegel, Lenkrad und Fahrlicht können nur über das zentrale Infortainment-Display eingestellt werden. Selbst das Handschuhfach lässt sich nicht mehr mechanisch öffnen, sondern nur noch über Tippen eines Buttons am Display. Was, wenn sich der Bildschirm plötzlich verabschiedet? Abgesehen davon ist das Infotainmentsystem sehr reaktiv und leicht zu bedienen. Auch das integrierte Betriebssystem ermöglicht einfaches Navigieren per Google Maps, welches automatisiert die extrem genaue Reichweite des Fahrzeugs berücksichtigt, anzeigt und gegebenenfalls Ladestopps vorschlägt.
Mit individuell einstellbarem Federungsverhalten des adaptiven Fahrwerks gleitet der Polestar elegant über die Straße. Die Dämpfung des Polestar 4 schränkt ihn aber nicht in seiner Dynamik ein: Im Performance-Modus und bei hart eingestelltem Fahrwerk lassen sich die 544 PS deutlich spüren und jagen den über zwei Tonnen schweren Wagen flott um die Kurven. Trotz hoher Leistung beeindruckt der Polestar mit zuverlässiger Reichweite und Ladeleistung – langen Reisen steht daher nichts im Weg. Lediglich der Pilot Assist ist auf Tempo 130 begrenzt und bremst zeitweise unerwartet ab. Die Touch-Slider am Volant sind zwar ungenau zu bedienen, für eines muss man Polestar jedoch loben: Die Geschwindigkeitswarnung lässt sich mit einem einzigen Knopfdruck am Lenkrad deaktivieren. Was bekommt man nun für fast 90.000,- Euro? Jede Menge Komfort, Luxus und Sportlichkeit in einem hochwertig verarbeiteten Stromer.
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